Frauen im Handwerk - ganz normal

Frauen im Handwerk - ganz normal

Bjørn

15.04.2024

9 min

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Das Handwerk als reine Männerdomäne? Heute wie damals ein Irrglaube. Frauen tragen das Handwerk als Meisterin, als Auszubildende und als Büroangestellte selbstverständlich mit auf ihren Schultern. Und gegen die letzten Vorurteile kämpft auch das Handwerk selbst. In Zeiten von Gleichberechtigung und Fachkräftemangel gibt es gar keine Alternative dazu, allen Frauen, die das wollen, einen Weg ins Handwerk zu ermöglichen.

Gute Gründe für mehr Frauen im Handwerk

Die Lage ist an einigen Stellen dramatisch: Der Fachkräftemangel macht es für viele Handwerksbetriebe schwer, ihre Aufträge abzuarbeiten. Auf der anderen Seite wissen viele junge Menschen noch nicht, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen. Viele darunter sind Mädchen oder junge Frauen. Dabei gibt es im Handwerk für Frauen viele Berufe und auch tolle Ausbildungen.

Neben dem Fachkräftemangel hat das Handwerk mit einem schleichenden Betriebssterben zu tun. Laut Bundeswirtschaftsministerium stehen 125.000 Betriebe bis 2030 vor der Übergabe. Während manche dieser Betriebe innerhalb der Familie aufgefangen oder verkauft werden können, stehen andere kurz vor der Aufgabe. Wenn mehr Frauen ins Handwerk gehen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, können viele dieser Betriebe gerettet werden. Das ist nicht nur im Sinne der Mitarbeitenden, sondern auch wirtschaftlich ein wichtiger Faktor.

Ein weiterer Grund für Frauen im Handwerk ist, dass Vielfalt Betrieben hilft. Internationale Studien weisen immer wieder darauf hin, dass Unternehmen mit einer vielfältigen Belegschaft wirtschaftlich erfolgreicher sind. Der Grund: Unterschiedliche Menschen bringen unterschiedliche Perspektiven in Unternehmen und Betriebe mit ein. Das bedeutet auch: unterschiedliche Lösungen. Betriebe und Unternehmen können sich dadurch weiterentwickeln und wirtschaftlichen Herausforderungen besser begegnen.

Frauen im Handwerk schon immer dabei

Frauen haben im Handwerk eine wechselhafte Geschichte. Und das nicht freiwillig. Dabei sind Frauen schon über lange Zeit Teil des Handwerks. Im Spätmittelalter gab es in den großen Handelsstädten wie Rostock oder Nürnberg viele selbständige Handwerkerinnen. Köln gilt als Hochburg dieser Zeit, was Frauen im Handwerk betrifft. Solche Frauen wurden auch damals schon Mitglied der Männerzünfte. Fürs Garn-, Gold- und Seidengewerbe hat es aber auch Frauenzünfte gegeben.

Gut hundert Jahre später änderte sich das zum Teil dramatisch: Frauen wurden aus allen Zünften gedrängt - der Grund: die Konkurrenz im Rahmen schlechterer Lebensverhältnisse. Das änderte sich erst wieder so richtig im zweiten Weltkrieg, als wegen der Kriegshandlungen an anderen Stellen Männer fehlten und Frauen im Handwerk gebraucht wurden. Nachhaltig war diese Entwicklung zunächst allerdings nicht. Denn u. a. zurückkehrende Männer besetzten die entsprechenden Stellen bald wieder selbst. 1952 gipfelte das sogar in einem Verbot für Frauen auf dem Bau.

In den 1950er Jahren waren Frauen unter anderem auch im Tischlerhandwerk sehr ungewöhnlich. Trotzdem haben handwerklich fähige Frauen auch zu dieser Zeit ihren Weg gefunden. Der Zugang für Frauen blieb in vielen Bauberufen übrigens bis 1994 komplett versperrt. Diese Entwicklung nach dem Krieg gilt allerdings vor allem für Westdeutschland. In der ehemaligen DDR war der Zugang für Frauen im Handwerk kein Problem. Bis in die 1990er haben sich Handwerksbetriebe die Sache übrigens noch schwerer gemacht als nötig: Ein häufiges Argument von Handwerksmeistern gegen die Beschäftigung von Frauen? “Dann muss ich ja extra einen Damen-Waschraum einbauen.”

Die aktuelle Lage von Frauen im Handwerk

Trotz der wechselhaften Geschichte in der Vergangenheit ist das Handwerk heute sehr darum bemüht, Frauen fürs Handwerk zu begeistern und Fortschritte zeichnen sich bereits seit Jahren ab. Mehr junge Frauen entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk und obwohl der Anteil von Frauen im Handwerk auch im internationalen Vergleich noch niedrig ist, hat sich das Blatt schon gedreht.

Weibliche Azubis im Handwerk

In den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten hat sich viel im Handwerk getan: Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sind momentan 16,7 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk Frauen. Während der Anteil weiblicher Azubis im Bereich persönlicher Dienstleistungen zurückgegangen ist, hat er in sämtlichen anderen Bereichen vom Bauwesen bis zum Gesundheitssektor zugenommen. Heute gibt es deutlich mehr Frauen, die Kraftfahrzeugmechatronikerin, Tischlerin, Elektronikerin oder Malerin werden als früher.

Nach wie vor ist der Anteil von Frauen im Bereich Schneiderei und im Schmuck- und Bäckereihandwerk besonders hoch. Mindestens rund drei Viertel aller Auszubildenden sind Frauen. Auch im Gesundheitshandwerk wie in der Zahntechnik, der Augenoptik und der Hörakustik liegt der Anteil weiblicher Azubis im Handwerk deutlich über 50 Prozent.

Weil viele Mädchen und junge Frauen das Handwerk oft gar nicht als berufliche Option vor Augen haben, spielt auch die schulische Berufsorientierung eine große Rolle. Im Rahmen von Girls’ Day und Initiativen zur Stärkung naturwissenschaftlicher sowie technischer Fächer wollen Handwerksbetriebe und Fachverbände auf die Möglichkeiten im Handwerk aufmerksam machen. Dabei spielen auch Eltern und Lehrkräfte eine Rolle.

Frauenanteile im Handwerk europaweit

Der Anteil von Frauen im Handwerk hat 2022 bei knapp über 10 Prozent gelegen. Damit liegt Deutschland sogar noch knapp unterhalb des EU-weiten Durchschnitts. Am höchsten liegt der Frauenanteil im Handwerk in Bulgarien, aber auch im Baltikum liegt dieser zwischen 12 und über 20 Prozent und damit deutlich höher als in Deutschland. In verschiedenen Medien heißt es allerdings, der Frauenanteil im Handwerk liege in Deutschland mittlerweile bei gut 30 Prozent. Obwohl das ein Hinweis auf nicht vollständig gesicherte Zahlen sein kann, zeigt sich doch in beiden Fällen, dass es noch großes Potenzial für Handwerkerinnen gibt.

Die Zukunft von Frauen im Handwerk

Immer mehr Frauen entscheiden sich aufgrund der guten beruflichen Aussichten ohnehin für einen Beruf im Handwerk. Der Fachkräftemangel bedeutet einen hohen Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen. Um der hohen Nachfrage nach Handwerksleistungen zu begegnen, sollten auch noch mehr Frauen den Weg wagen, sich als Handwerkerin selbständig zu machen.

Um diese Wege zu unterstützen, gibt es zahlreiche Initiativen und Angebote. Die größte Initiative im Hinblick auf die berufliche Orientierung ist der Girls’ Day - Mädchen-Zukunftstag. An diesem Tag bieten auch etliche Ausbildungsberufe und handwerkliche Studiengänge einen Einblick in ihre Arbeit bzw. in die beruflichen Möglichkeiten, die sich daraus für Frauen im Handwerk ergeben. Der nächste Girls’ Day findet übrigens am 25. April 2024 statt.

Karriere für Frauen im Handwerk

Die Möglichkeiten für Frauen im Handwerk werden immer größer. Nicht nur, dass Frauen in Ausbildungen, bei Prüfungen bis hin zu Berufsmeisterschaften Top-Ergebnisse liefern; durch Betriebsaufgaben, Fachkräftemangel und die Nachfrage auf dem Markt können Frauen im Handwerk richtig Karriere machen. Berufe, die noch lange nicht aussterben, und ein gutes Einkommen sprechen für einen Weg ins Handwerk. Zwar muss zum Beispiel beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch einiges getan werden, doch längst gibt es immer mehr Betriebe, die von oder mit Frauen geführt werden.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Sowohl für Frauen als auch für Männer spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute eine große Rolle. Die Entscheidung für einen Job und dessen zeitlichen Umfang hängt oft an diesem Thema. Obwohl gerade das Thema Kinderbetreuung eines ist, das gesellschaftlich und in jeder Familie persönlich zu lösen ist, kann jeder Betrieb seinen Teil dazu beitragen: Flexible Arbeitszeiten und Verständnis für Kolleginnen und Kollegen, die ihre Kinder auch mal spontan aus der Kita abholen müssen, können zu großen Motivationsfaktoren werden. Wenn Eltern sich nicht als Problem, sondern als wichtigen Teil des Betriebs wahrnehmen, ist viel gewonnen.

Frauen führen das Handwerk

Frauen sind im Handwerk auch in Führungspositionen vertreten. Ob als selbständige Meisterin, als Gründerin oder gemeinsam mit dem Partner. Viele Frauen übernehmen auch den Familienbetrieb und tragen so maßgeblich dazu bei, das Handwerk in Deutschland zu stützen. Im Jahr 2022 sind laut ZDH zudem fast 20 Prozent aller Meisterprüfungen von Frauen absolviert worden. Und schon aktuell wird rund ein Viertel aller Handwerksbetriebe von Frauen geführt. Fast drei Viertel aller Betriebe werden als Familienbetriebe von einem Paar geführt.

Der Anteil an Frauen im Handwerk liegt dabei in den Bereichen Lebensmittel, Gesundheit und persönliche Dienstleistungen am höchsten. Doch auch im Bauwesen, innerhalb des gewerblichen Bedarf und im KfZ-Sektor finden sich mehr und mehr Frauen. Von den Fachverbänden und Handwerkskammern gibt es in diesem Zusammenhang viele Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung für Frauen im Handwerk. Die Angebote richten sich oft auch an Quereinsteigerinnen.

Die weiblichen Gesichter des Handwerks - Influencer und Co.

Gerade durch junge Auszubildende und Handwerkerinnen bekommt das Handwerk auch in den sozialen Medien ein Gesicht. Ob Youtube, Instagram oder TikTok: Viele Handwerkerinnen verschaffen ihren Follower:innen Einblick in ihre Arbeit und begeistern so gerade junge Menschen für Berufe, die heftig unterm Fachkräftemangel leiden. Mit dabei sind bekannte Influencerinnen wie die Dachdeckerin Chiara. Das Ganze geschieht dabei häufig mit viel Humor. So nimmt Chiara gern ihren Arbeitsalltag aufs Korn und zeigt, dass nicht immer alles so ernst zugehen muss. Wer im SHK-Sektor unterwegs ist, kennt vielleicht die Anlagenmechanikerin Sandra Hunke. Sie ist Handwerkerin und Model und bietet zu beidem Einblick auf ihrem TikTok-Kanal. Die Maurermeisterin Tschulique (bürgerlich: Julia Schäfer) präsentiert sich ebenfalls bei der konkreten Arbeit auf dem Bau. Und auf Instagram spricht Jenni vom Dach über - na klar - ihre Arbeit als Dachdeckerin.

Tipps für Frauen im Handwerk

Gehen Frauen ins Handwerk sollten sie von Anfang an Abschied vom Mythos Männerdomäne nehmen. Je früher Du es zur Normalität machst, dass Du da bist, desto besser. Du bringst im besten Fall nicht nur eine tolle Ausbildung mit und jede Menge Motivation, sondern auch Deine eigene Perspektive.

Nutze außerdem jede Unterstützung, die Du finden kannst. Handwerkskammern und Fachverbände sowie Vereine engagieren sich im Bereich weiblicher Führung und im Networking. Hier kannst Du günstig oder kostenlos an Fortbildungen teilnehmen und Deine Stärken gezielt entwickeln.

Schau Dir Vorbilder an, die als Influencerinnen in den sozialen Medien tätig sind. Du kannst von ihren Erfahrungen profitieren und frühzeitig Einblicke ins Handwerk gewinnen. Ob es nun um den Umgang miteinander im Betrieb geht oder um die Arbeit selbst. Eine gute Vorbereitung ist Gold wert.

Das Handwerk wird weiblich(er)

Frauen haben eine entscheidende Rolle im Handwerk übernommen und tragen maßgeblich dazu bei. Durch Frauen im Handwerk, besonders in Bereichen, die traditionell von Männern dominiert wurden, zeigt sich nicht nur eine Erhöhung der Fachkräftezahl, sondern auch eine Erweiterung von Perspektiven, die innovative Lösungen und Ansätze mit sich bringen. Die Anwesenheit von Frauen in handwerklichen Berufen ist ein Gewinn für die gesamte Branche, indem diese frische Ideen und Ansätze einbringen, die auch zu wirtschaftlichem Erfolg führen. Gleichzeitig wird durch die Stärkung von Frauen im Handwerk ein bedeutender Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und zur Nachhaltigkeit von Unternehmen geleistet.

Frauen im Handwerk zeigen, dass sich traditionelle Rollenbilder zunehmend auflösen und Platz für eine gerechtere und inklusivere Arbeitswelt machen. Um diese Entwicklung weiter zu fördern, ist es entscheidend, dass Bildungseinrichtungen, Betriebe und die Politik Hand in Hand arbeiten, um Barrieren abzubauen und jungen Frauen die vielfältigen Karrieremöglichkeiten im Handwerk aufzuzeigen. Durch Initiativen wie den Girls’ Day und gezielte Förderprogramme wird nicht nur das Bewusstsein geschärft, sondern auch die Grundlage für eine zukunftsfähige, diverse Handwerksbranche gelegt, in der Frauen und Männer gleichberechtigt zum Erfolg beitragen.

Schau auch mal bei unserem Instagram-Kanal vorbei: Wir haben auch ein Video zum Thema Frauen im Handwerk gemacht.

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